Kleine Gesten und große Retter: Schüler und Schulsanitäter Justus Pahlke (15) erzählt aus seinem Alltag am Detlefsengymnasium in Glückstadt.
„Justuuus?“, fragt der Junge auf dem Schulgang. „Hast du eine Umarmung für mich?“. Dabei breitet er seine Ärmchen aus, als wolle er einen Baum umfassen. Mit einem sanften Lächeln drückt der 15-jährige Justus den Jungen, der ihm gerade mal bis zum Bauch reicht, an sich. „Sag mal Maik“, fragt Justus den Kleinen in väterlichem Ton, „solltest du jetzt nicht im Unterricht sein?“. Dann rennt dieser auch schon kichernd zurück in sein Klassenzimmer. Das also meinte der Zehntklässler vorhin, als er mir erklärte, was es bedeutet, im Schulsanitätsdienst aktiv zu sein: „Wir versorgen nicht nur körperliche Wunden, sondern bieten auch ganz ganz viel seelische Unterstützung.“ Justus Pahlke ist Oberstufenschüler am Glückstädter Detlefsengymnasium und dort seit der sechsten Klasse im Schulsanitätsdienst. Warum? „Ich bin da reingewachsen“, sagt er. „Ich habe mich schon früh für alles interessiert, was mit Medizin zu tun hat.“ Heute ist Justus einer von 13 Ersthelfern an seiner Schule und immer zur Stelle, wenn‘s brennt: „Wir werden gerufen, wenn ein Schüler beim Fußballspielen umknickt oder sich das Knie aufschlägt. Wir sind aber auch für die neuen Schüler da, die schnell überfordert sind vom neuen Umfeld, den neuen Lehrern und Schülern, und die einfach jemanden zum Reden brauchen.“ Es sind die kleinen Dinge, sagt er, die im Schulalltag entscheidend sein können. „Wenn eine Fünftklässlerin sich auf dem Pausenhof verletzt und weint, weil sie zu ihrer Mama möchte, ist die seelische Betreuung oft viel wichtiger als die eigentliche Wundversorgung“, erklärt mir der 15-Jährige. Diese und andere Erfahrungen haben Justus in den vergangenen Jahren selbstsicherer im Umgang mit Menschen sowie in der Erstversorgung werden lassen. „Man wird hier von den Älteren an die Hand genommen, lernt von ihnen.“ Aber auch die erfahreneren Schulsanitäter profitieren von den Jungen, erklärt Justus: „Wenn sich ein Fünftklässler verletzt, kann ihn ein etwa Gleichaltriger unter Umständen viel besser beruhigen, als ich. Vor mir hat er vielleicht großen Respekt oder sogar Angst.“
Durchschnittlich ein Mal pro Woche wird ein Schulsanitäter am Detlefsengymnasium gerufen. Normalerweise versorgen die Schüler dann vor Ort oder im Sanitätszimmer die jungen Patienten mit Problemen wie Nasenbluten, Kopfschmerzen, Schürfwunden oder erkältungsbedingter Übelkeit. Justus hat aber auch schon schlimmere Verletzungen gesehen – eine offene Fraktur zum Beispiel. „Ein Mädchen war damals beim Basketballspielen umgeknickt“, erinnert er sich. „Natürlich wurde der Rettungsdienst alarmiert. Sie hat geschrien, hatte große Schmerzen. Ich konnte und wollte in dieser Situation nichts Anderes tun, als bei ihr zu bleiben, bis der Arzt eintraf. Ich hätte ihr keinen Gefallen getan, wenn ich versucht hätte, die Wunde zu verbinden.“ Mit solchen Aufgaben – so schlimm sie auch sind – wächst man auch, betont er.
Den Schulsanitätsdienst bietet das Detlefsengymnasium als schulische AG in Kooperation mit dem DRK-Kreisverband Steinburg an. Jeder, der Schulsanitäter werden möchte, muss hier zunächst einen 16-stündigen Erste-Hilfe-Kurs absolvieren. Darüber hinaus treffen sich die Ersthelfer alle zwei Wochen, um Fallbeispiele zu üben, und können sich etwa beim DRK fortbilden und ihr Wissen auffrischen. Für Justus und seine Mitstreiter ist der Schulsanitätsdienst viel mehr als eine AG an der Schule. „Alle sind mit Herzblut dabei, das schweißt als Team zusammen“, sagt Justus lächelnd. „Es macht Spaß! Es ist einfach schön, wenn man geholfen hat und am Ende ein ‚Danke‘ hört.“ Auch ich bedanke mich nach unserem Gespräch bei Justus Pahlke. Nicht nur dafür, dass er sich direkt nach einer unliebsamen Musikklausur Zeit für mich genommen hat. Ich bedanke mich auch dafür, dass er andere mit seiner Begeisterung für Menschlichkeit und gegenseitige Hilfe ansteckt. Und ich bin dankbar, dass Menschen wie Justus Pahlke unsere Zukunft sind.
Jeden Tag versorgen insgesamt 1844 Schulsanitäter die kleinen und größeren Wehwehchen der Schüler an Schleswig-Holsteins Schulen. Aber nicht jede der 72 Schulen im Land mit einem Schulsanitätsdienst hat die finanziellen Mittel für das nötige Equipment vom Pflaster bis zum Defibrillator. Wer die Mädchen und Jungen des Schulsanitätsdienstes in Schleswig-Holstein unterstützen möchte, kann dies mit einer Spende (Verwendungszweck: „Schulsanitätsdienst“) tun.
DRK-Landesverband Schleswig-Holstein e. V.
Kieler Volksbank eG
Verwendungszweck: Schulsanitätsdienst
IBAN: DE64 2109 0007 0090 0858 33
BIC: GENODEF1KIL